
Beruf, Familie und weitere Lebensinhalte: Wie bringen wir das alles unter einen Hut? Spannende Fragen, die nicht nur – aber insbesondere auch – zur Weihnachtszeit aktuell sind. Ein Sofagespräch im Rahmen der Rezertifizierung des Prädikats UND zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie an der BFF mit Noëlle Knuchel, Gabriela Mäder und Christopher Dietisheim.
Gabriela Mäder (GM) arbeitet 65% als Berufsschullehrerin an der BFF. Zuvor, als die Kinder kleiner waren, hatten sie und ihr Mann kleinere Pensen, die sie stets flexibel der aktuellen Familienkonstellation anpassten.
Noëlle Knuchel (NK) arbeitet 60% als Berufsschullehrerin an der BFF. Das geht für sie in diesem Beruf, weil die zeitliche Einteilung sehr gut in die Familienstruktur passt. In ihrem früheren Beruf als Fachfrau Betreuung in einer Kita wäre dies nicht möglich gewesen, weil dort die fixen Arbeitstage viel länger sind.
Chris Dietisheim (CD) arbeitet 30% in der Marketingkommunikation der BFF und unterrichtet im gleichen Umfang als Dozent für berufliches und reflektierendes Schreiben an der PH Bern. Die beiden Tage zuhause mit den Kindern sind für ihn unantastbar.
Beruf, Kinder, Haushalt und Privatleben: Wie bringt ihr das alles unter einen Hut?
NK: Ein unterstützendes Umfeld ist zentral. Ich nahm meinen Sohn im Alter von vier Wochen mit in die Vorlesungen, denn damals war ich mitten in meiner Ausbildung zur Berufsfachschullehrerin. Das ging nur, weil mein Mann während den Präsenzkursen vor Ort war, dort mit unserem Sohn spazieren ging und ihn mir fürs Stillen brachte.
GM: Gestartet bin ich ähnlich. Vor fünfzehn Jahren begann ich meine Ausbildung zur Berufsfachschullehrerin. Mein Sohn kam mitten im Studium zur Welt und ich nahm ihn danach auch oft mit in die Veranstaltungen. Es ist alles eine Frage des richtigen Zeitpunktes. Als der jüngste Sohn in den Kindergarten kam, öffneten sich neue Perspektiven. Eine neugewonnene grosse Freiheit an vier Vormittagen ohne Kinder im Haus. Zu dieser Zeit startete ich schliesslich die Ausbildung als Lehrerin für den allgemeinbildenden Unterricht. Entscheidend für die Vereinbarkeit war bei mir ebenfalls das Umfeld: Ein Partner, der unterstützt, mithilft, einspringt und am gleichen Strick zieht.
CD: Für meine Frau und mich war von Anfang an klar, dass wir beide im ähnlichen Umfang arbeiten und Kinder betreuen möchten. Ich erlebe das Modell, dass Mutter und Vater im Beruf und zuhause beide im gleichen Umfang tätig sind, sehr positiv. Man teilt sich den ganzen „Mental Load“, man weiss, was es bedeutet, zuhause kranke Kinder zu betreuen. Und man weiss auch, wie es ist, übermüdet ins Büro zu gehen. Das trägt sehr viel zum gegenseitigen Verständnis bei. Aus meiner Sicht braucht es die Partnerin oder den Partner dazu, aber auch den Willen, ein solches Modell durchziehen zu wollen. Denn es ist vermutlich nicht das einfachste Modell. Wenn man sich ausschliesslich um einen Bereich kümmert, zum Beispiel nur um die Kinder oder nur um die Erwerbsarbeit, dann kann das entlastend sein. Trotzdem möchte ich meine Alleinzeit mit den Kindern und auch meine Erwerbsarbeit in dieser Konstellation nicht missen.
NK: Der Spagat ist wirklich nicht immer einfach. Bei uns ist es so, dass mein Mann auch gerne mehr zuhause sein möchte, aber das ist von seinem Arbeitgeber her nicht machbar, weil die Arbeit unabhängig des Pensums gleich bleibt. Im ersten Jahr als Familie war es so, dass er viel am Abend arbeitete und mich während des Tages unterstützte, so dass ich Zeit für meine Ausbildung hatte.
Seid ihr beruflich da, wo ihr immer hin wolltet? Oder ist eure berufliche Karriere heute auch ein Kompromiss aufgrund der Familie?
NK: Ich bin immer meinen beruflichen Weg gegangen und wäre vermutlich auch dort ohne Kind. Für mich stimmt es heute genau so, wie es ist.
CD: Die Begriffe sind in diesem Kontext sehr spannend. Was ist Karriere? Für mich bedeutet Karriere, dass ich die Zeit so strukturieren kann, dass ich möglichst glücklich und erfüllt mit dem bin, was ich tue. Und das muss für mich keine Leitungsfunktion sein. Diesbezüglich braucht es aus meiner Sicht ein Umdenken. Weg vom sich definieren im Aussen, hin zum Tun aus innerer Motivation, aus Freude. Ich würde meine freie Zeit mit den Kindern gegen nichts tauschen wollen. Der Bildungsbereich ist diesbezüglich sehr fortschrittlich, weil es möglich ist, mit kleinen Pensen spannende Dinge zu tun. Das sollte meiner Meinung nach auch in anderen Branchen möglich sein.
GM: Die Flexibilität ist ein grosses Plus. Schwierig wird es in Teilzeit, wenn gewisse Termine eingehalten werden müssen. Zum Beispiel, wenn der Kieferorthopäde nur an dem Tag verfügbar ist, an dem ich arbeite.
NK: Ich empfinde unsere Arbeitszeiten sehr familienfreundlich. Die Schwierigkeit ist aber tatsächlich die fehlende Flexibilität, da die Unterrichtszeiten natürlich fix sind. Das ist z.B. auch stressig am Morgen, wenn ich meinen Sohn in die Kita bringe und etwas dazwischen kommt oder er nicht mitmacht. Ich kann nicht einfach zehn Minuten später erscheinen. Die Lektion startet. So ist bei mir ist der Aufwand grösser, zuhause zu bleiben und zu den Kindern zu schauen, als wenn dies mein Mann übernimmt. Denn es ist eine grosse Organisation, eine Stellvertretung zu organisieren.
CD: Die Frage ist doch auch, wie man die Vor- und Nachbearbeitungszeit organisiert. Viele brauchen eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit. Das ist bei mir nicht so. Wenn ich Beruf und Familie verbinden kann und dadurch freier bleibe, empfinde ich die Vermischung als Bereicherung.
GM: Mich stört die Vermischung auch nicht. Aber oft muss ich die Arbeit bewusst auch weglegen, weil ich ganz bei den Kindern sein will.
NK: Während des regulären Schulbetriebs handhabe ich es auch so. Vor den Schulferien versuche ich alles abzuschliessen und arbeite dazu auch am Abend. In den Ferien aber ziehe ich mich ganz zurück, da schalte ich ab.

Was ist eine familienfreundliche Unternehmenskultur? Was braucht es für eine gute Vereinbarkeit?
CD: Der Aspekt der Teilzeitpensen ist für mich sehr wichtig. Das Entgegenkommen beim Arbeitspensum, das zu einer zeitlichen Flexibilität führt, erlebe ich an der BFF sehr positiv. Und auch, dass trotz Teilzeit Entwicklungsmöglichkeiten vorhanden sind, dass man nicht einfach nur den Resten bekommt, der sonst niemand macht, sondern dass spannende und herausfordernde Tätigkeiten auch in kleineren Pensen möglich sind.
NK: Die Teilzeitarbeitsmodelle sind mir auch wichtig. Und auch die Möglichkeit, dass wir an der BFF die Arbeitstage entsprechend den Kitatagen wünschen können. Das ist nicht selbstverständlich. Einzig das Sitzungsgefäss am Donnerstagabend ist nicht immer einfach mit den Familienstrukturen zu vereinbaren.
GM: Ich kann mich euch anschliessen. Die Zusammenarbeitstage waren früher ein Problem, unterdessen gibt es eine schulinterne Kinderbetreuung während dieser Zeit. Das ist eine grosse Entlastung.
GM und NK: Dieses schulinterne Betreuungsangebot gibt es nun seit vier Jahren. Es wurde am Anfang stark genutzt, unterdessen sind es weniger Kinder, die kommen. Das ist sehr schade, denn es ist doch ein grosser Aufwand, den wir betreiben. Vielleicht ist der Rückgang pandemiebedingt. Denn die Betreuung ist gut und wir haben auch genügend Ressourcen bei den Betreuungspersonen.
GM: Unsere Kinder lieben dieses Angebot. Sie können in der Turnhalle herumtoben und haben viel Spass mit den anderen Kindern.
CD: Im Zusammenhang mit der Unternehmenskultur ist mir wichtig, dass man die Vereinbarkeit als Bereicherung anschaut und nicht als Defizit. Ich erlebe die Kinderbetreuung als sehr wertvolle und lehrreiche Erfahrung, als zusätzliche Perspektive. Daraus nehme ich sehr viel, für mich persönlich, aber auch für den Arbeitskontext. Diese Erfahrungsvielfalt nicht nur wertzuschätzen, sondern auch als Qualität zu erkennen, ist für mich ein wichtiger Teil der familienfreundlichen Unternehmenskultur.
GM: Ich profitiere auch sehr durch den Perspektivenwechsel. Ich erlebe als Mutter, wie sich meine Kinder entwickeln, wie sie lernen. Dieses Verständnis hilft mir sehr in der Arbeit als Lehrperson.
NK: Dadurch, dass ich Fachpersonen Betreuung mit Schwerpunkt Kinderbetreuung unterrichte, kann ich alles direkt verbinden. Die Beispiele von zuhause, die motorischen und sprachlichen Entwicklungsschritte meines Sohnes, all das kann ich direkt anwenden im Unterricht. Diese Beispiele aus dem Alltag schätzen die Lernenden.
CD: Das ist für mich auch so. Der zeitlich fast ausgewogene Mix aus Betreuung der eigenen Kinder, konzeptueller und redaktioneller Arbeit an der BFF sowie Lehrtätigkeit mit Studierenden schafft inhaltlich viele Synergien.
NK: Ich könnte gar nicht vollzeitlich zuhause sein, das würde mich unglücklich machen. Das liegt nicht an der Kinderbetreuung an sich, es ist ja auch mein ursprünglicher Hauptberuf. Aber es tut mir sehr gut, ab und zu „Noëlle“ sein zu können, nicht immer die Mama. Dieses Gefühl, auch mein altes Ich, ein anderes Ich zu spüren, das brauche ich.
CD: Der Wechsel heraus aus dem Dauerzustand, egal welcher es ist, macht es interessant.

Wo seht ihr die Chancen, was sind die Herausforderungen?
GM: Zeitliche Überschneidungen sind recht herausfordernd, z.B. bei der Sportwoche, die an der BFF und in meiner Gemeinde in einer anderen Woche liegt. Da bin ich dann auch schon direkt aus den Skiferien in Grindelwald arbeiten gekommen. Ich finde das sehr schade, weil allgemein die Sportaktivitäten bei den Kindern rückgängig sind.
NK: Kranke Kinder sind eine grosse organisatorische Herausforderung. Zum Beispiel ist es sehr schwierig, für den Dienstag Stellvertretungen zu finden. Wenn man dann selber noch krank ist, gleichzeitig Kinder betreut und auch noch den Unterricht vorbereiten muss, dann ist das schon sehr herausfordernd.
GM: Das erlebten wir während der Schulschliessung in der ersten Corona-Welle. Das war heftig. Das wäre eigentlich gar nicht machbar gewesen. Man war einfach in die Situation geworfen und machte, so ging es wohl vielen.
CD: Wir haben uns bewusst für ein Teilzeitmodell entschieden, bei dem beide etwa 60 Prozent arbeiten. Aber es ist immer ein daran arbeiten, ein ausprobieren. Man hat immer mehrere Baustellen und das wird vor allem dann intensiv, wenn es auf mehreren dieser Baustellen Probleme gibt. Die Koordination ist das A und O. Der grosse Vorteil sehe ich darin, dass man durch die Erfahrung mehr Verständnis füreinander hat.
Gibt es Situationen, in denen Vereinbarkeit scheitert?
NK: Mit Kindern ist man schon viel mehr am Planen. Wir sind sehr froh, dass die Grosseltern auch mithelfen. Wenn alle Stricke reissen, sind sie der Joker. Und auch die Kita ist sehr entlastend. Aber auch dort braucht es wenig, dass das Kartenhaus zusammenfällt. Z.B. wenn unsere Kita aufgrund einer internen Weiterbildung schon um 12.00 Uhr schliesst. Da brauchten wir auch schon mal einen Götti, der einspringen konnte.
CD: Das ist bei uns auch so. Die Grosseltern sind eine wichtige und zentrale Stütze, gerade bei den Teilzeitmodellen. Und was auch oft fehlt: Zeit für die Partnerschaft. Denn wenn beide teilzeitlich arbeiten, wechselt man oft schnell zwischen den Rollen zuhause und im Beruf.
NK: In diesem Schuljahr habe ich zufällig den Donnerstagnachmittag unverplant, das ist momentan eine grosse Entlastung. Aber sonst ist es bei mir auch so: Ich gehe um fünf aus der Schule, hole meinen Sohn ab, gehe einkaufen und kochen – da startet eigentlich der nächste Job.
GM: Unsere Kinder gehen um halb sechs ins Training. Da bin ich oft noch am Unterrichten. Wenn da etwas nicht klappt, sie mich bräuchten, dann ist das für mich nicht ganz leicht. Gleichzeitig weiss ich auch, dass das die Kinder auch stärkt und selbständiger macht.
CD: Das gibt es ja auch anders herum. Zum Beispiel wenn man Kinder betreut und nicht sofort auf Nachrichten reagieren kann oder will. Es ist für mich immer auch eine Frage des Perfektionismus. Man kann nicht überall hundert Prozent leisten. Es braucht einen gesunden Mut zur Lücke. Und die Fähigkeit, die Dinge, die einem wirklich wichtig sind, priorisieren zu können.
Die BFF ist seit 2015 mit dem Prädikat UND zertifiziert. Ende 2021 fand die erfolgreiche Rezertifizierung statt. Mit dem Prädikat UND werden Unternehmen und Organisationen ausgezeichnet, die Vereinbarkeit und Gleichstellung in Strategie, Struktur und Kultur verankert haben, über ihre internen Prozesse aktiv fördern und so ein definiertes Qualitätsniveau (Best Practice) erreichen.