Kennen Sie das? Sie lesen einen Text. Sie verstehen die einzelnen Wörter, erkennen aber nicht, was der Text Ihnen sagen will. Die Botschaft des Textes dringt nicht bis zu Ihnen durch, bleibt verborgen oder zumindest diffus. Vielleicht schieben Sie die Schuld in solchen Momenten in Ihre eigenen Schuhe: Vermutlich sind Sie einfach zu abgelenkt. Oder zu müde. Oder zu wenig informiert. Oder alles zusammen.
Dabei geht vergessen, dass ein Text nie an sich verständlich ist. Er wird es erst, wenn er für die Leserinnen und Leser zugänglich ist. Und hier scheitern viele Texte: Sie gehen nicht von ihren Lesenden aus.
Von den Lesenden auszugehen heisst, aus deren Sicht zu schreiben. Das klingt soweit banal und bedeutet: Sind die Lesenden abgelenkt, müde und weniger informiert? Dann schreiben Sie für abgelenkte, müde und weniger informierte Lesende.
Das Stichwort heisst: adressantenorientieres Schreiben. Aber wie geht das genau?
Beim Lesen suchen wir fortlaufend nach bekannten Mustern. Wir bilden Annahmen über den Sinn des Textes. Ist ein Text adressatenorientiert formuliert, bedient er diese Muster der Lesenden bestmöglich.
Unser Kurzzeitgedächtnis ist in der Lage, ungefähr sieben Informationseinheiten wahrzunehmen. Machen Sie selbst den Test: Wie viele Zahlen können Sie sich kurzzeitig merken, wenn Sie die folgende Zahlenreihe einmal von links nach rechts lesen?
4-8-1-3-0-7-2-8-5-3-8-1-9-6-3-7-2-1-9-3
Meistens sind es mehr oder weniger sieben Zahlen.
Sobald wir Muster bilden können, schaut es ganz anders aus:
1-2-3-4-5-6-7-8-9-10-11-12-13-14-15-16-17-18-19-20
Siehe da: Sie haben sofort alle zwanzig Informationseinheiten erkannt, weil Sie schnell die Zahlenreihe als Muster erkannt haben.
«Ein Text, der sich mit-teilt, der also die in ihm enthaltenen Botschaften mit seinen Leserinnen und Lesern teilt.»
Was hilft uns, Muster im Text besser zu erkennen? Es sind die drei Merkmale der sprachlichen Verständlichkeit und diese sind gut erforscht:
Erstens: Der Text soll lesefreundlich sein. Das heisst: Die Lesenden müssen keine sprachlichen Hindernisse überwinden. Das gelingt durch kurze und aktive Sätze mit vielen Verben und wenig Nominalstil. Nominalwas? Das ist der da: «Das Ziel der Förderung der Gesundheit unserer Mitarbeitenden hat hohe Priorität.» Lesefreude? Fehlanzeige. Besser so: «Wir fördern die Gesundheit unserer Mitarbeitenden. Dieses Ziel hat für uns hohe Priorität.»
Zweitens: Der Text soll logisch und präzise sein. Das gelingt durch einfachen Satzbau: Subjekt, Prädikat, Objekt. Das Verb steht vorne im Satz und nicht erst am Satzende. Dafür sind Ihnen nicht nur Dolmetscherinnen und Dolmetscher dankbar. Und: Klare, kurze Absätze mit einem Hauptgedanken pro Absatz gliedern einen Text sinnvoll.
Drittens: Der Text soll reizvoll sein. Schliesslich ist die Zeit der Lesenden ein kostbares Gut. Anreiz entsteht, wenn unnötiger Wortballast, Wortungetüme und Fremdwörter wegfallen. Saugen Sie dem Text das Fett ab.
So kann im besten Fall gelingen, was Kommunikation von seiner Wortbedeutung her ist: Ein Text, der sich mit-teilt, der also die in ihm enthaltenen Botschaften mit seinen Leserinnen und Lesern teilt.
Egal wie abgelenkt, müde oder desinformiert diese sind.